6. November 2013 USA, Los Angeles – Western Values

Der Pass „America the Beautiful“ kostet 80 Dollar und berechtigt für ein Jahr zum Eintritt in die amerikanischen Nationalparks.  Da er für alle Fahrzeuginsassen gültig ist, hat man bei dem Besuch mehrerer Parks einen enormen Preisvorteil.  Wir konnten ihn gut nutzen.

Durchschnittlich amerikanisch ist Los Angeles gewiss nicht, dafür aber repräsentiert die Stadt die Nation in all ihren Extremen. Die Einwohner gehören zu den reichsten und zu den ärmsten Amerikanern, zu den vornehmsten und zu den ungehobelsten, zu den schönsten und zu den schlichtesten, zu den gelehrtesten und zu den hohlköpfigsten. Erfolg und Scheitern können hier spektakuläre Ausmasse annehmen.

Und hier empfangen wir unseren zweiwöchigen Familienbesuch. Meine Mutter Annemarie und mein Neffe Michi werden mit uns zusammen die Highlights des Westens der USA bereisen. Wir haben uns fast ein Jahr lang nicht mehr gesehen. Entsprechend gross ist die Wiedersehensfreude, als wir die beiden am internationalen Flughafen von Los Angeles abholen. Nachdem wir den Leihwagen in Empfang genommen haben – einen geräumigen, weissen Dodge - genehmigen wir uns noch einen Willkommsdrink an der Hotelbar. Doch bei den beiden macht sich schnell der Jetlag bemerkbar und kurze Zeit später sitzen Ingo und ich mit Budweiser und Erdnüssen alleine am Bartresen.

Unser erster gemeinsamer Tag führt uns nach Palm Springs. In den 50er und 60er Jahren war Palm Springs die swingende Sommerfrische von Sinatra, Elvis und anderen grossen Stars. Danach allerdings eroberten Rentner in Golfklamotten den Ort. Erst viel später begeisterte sich eine neue Generation für den altmodisch schicken Charme der nierenförmigen Pools, für die Bungalows von Stararchitekten und für die Pianobars mit perfekt gemixten Martinis.

Das einsame Wüstengebiet auf der Weiterfahrt zum Grand Canyon nimmt 25% der Fläche Kaliforniens ein. Obwohl auf den ersten Blick nur grauenhaft öde, offenbart die Wüste bald ihre perfekte Schönheit - verwitterte Vulkangipfel, sinnliche Sanddünen und violett melierte Berge. Die Ruhe, Spiritualität und Eleganz übt einen unwiderstehlichen Reiz aus. Und hat man einmal über den Rand des Grand Canyon hinweg in die Tiefe geblickt, versteht man, warum alle ins Schwärmen geraten, wenn sie die Schlucht beschreiben. Sie zieht einen schon aufgrund ihrer unglaublichen Ausmasse in ihren Bann. Sie ist wie eine Zeittafel, auf der die Erdgeschichte nachzulesen ist, Schicht für Schicht. Auf dem Grund der gewaltigen Schlucht windet sich der Colorado River. Er hat den Canyon in den letzten 6 Millionen Jahren geformt und Steine freigelegt, die bis zu 2 Milliarden Jahre alt sind – halb so alt wie die Erde.

Grand Canyon Nationalpark

Bryce Canyon Nationalpark

Unsere Western Values Rundtour führt uns vorbei an den zierlichen rosa- und orangefarbenen Minaretten des Bryce Canyon Nationalparks. Der Canyon ist ein Amphitheater aus erodierten Felsen. Eine Schatzkiste voller Säulen und Türmchen, Zinnen und Nadeln. Und nach diesen wunderschönen, durch den Wind geformten Kalksteingebilden des Bryce Canyon erreichen wir ein Highlight, auf das wir alle uns gefreut haben. Las Vegas!

Vegas ist eine Art Hollywood für Jedermann, nur dass man hier einer der Akteure ist und kein Zuschauer. Dies ist der einzige Ort auf der Welt an dem man uralte Hieroglyphen, den Eiffelturm, die Brooklyn Bridge und die Kanäle von Venedig innerhalb weniger Stunden zu sehen bekommen kann. Sie sind natürlich nicht echt, doch in einer Wüste, in der eine der verschwenderischsten Städte der Welt gewachsen ist, werden keine halben Sachen gemacht – nicht einmal, was die Trugbilder angeht. Und Zeit spielt hier keine Rolle. Hier gibt es keine Uhren, dafür Endlos-Buffets und Drinks en masse.

Am Abend gönnen Annemarie und ich uns einen Frauenabend. Eine der besten Shows Las Vegas wartet auf uns: „Le Rêve – The Dream“. Während wir uns beim Anblick der perfekten Akrobatik und muskelbepackten Körpern tatsächlich in einer Art Traumzustand befinden, erkundigen Ingo und Michi die Grössen der Spielcasinos. Excalibur, Mirage, Caesar´s Palace und Bellagio. Und wie es sich für einen anständigen Männerabend gehört, nehmen sie ihr Abendessen in einer Hooter´s Bar ein, in der leichtbekleidete Mädchen in orangefarbenen Shorts und hautengen weissen Tops eisgekühltes Bier und fetttriefende Burger servieren.

Aufgrund zeitigen Schneefalls ist der Tioga Pass gesperrt, der die direkte Route zwischen Las Vegas und Yosemite Nationalpark darstellen würde. Zwangsläufig müssen wir einen langen Umweg über Bakersfield hinnehmen, so dass diese Tagesetappe mit 440 Meilen die längste während der zwei gemeinsamen Wochen wird. Doch es lohnt sich. Der Yosemite Nationalpark ist nicht umsonst so berühmt. Die schwindelerregend hohen Silhouetten von El Capitan und Half Dome wirken vor dem hellblauen Himmel schon fast furchteinflössend. Hier sind wir winzig kleine Menschen, rundum von einer unbarmherzigen Traumlandschaft umgeben. Wenn man vom Talboden aus nach oben blickt, ist einem einfach nur nach Schweigen zumute – wegen der Schönheit der stattlichen Kiefern, der mächtigen Granitgipfel und der stillen, kühlen Wasserflächen, in denen sich die gewaltigen Monolithen spiegeln.

Ganz langsam neigt sich unsere gemeinsame Reise dem Ende zu. Während San Franciscos 43 Hügel unsere Beine und Fantasie noch einmal auf Trab halten, raubt uns die Aussicht auf die Golden Gate Bridge und die darunter liegende Stadt buchstäblich den Atem. Auf 11.2 x 11.2 km ist sie nach einem festen Raster angelegt, in dem die Market Street als Hauptstrasse schräg dazu verläuft.  

In China Town kann ich meinen Vorrat an Akupunkturnadeln wieder aufstocken. So günstig wie nie zuvor finde ich in einem kleinen Eckladen Kräutermischungen und Nadeln in beliebiger Grösse. Hinter einem weissen Plastikvorhang wird Zungen- und Pulsdiagnose sowie Akupunkturbehandlung angeboten.

Zurück in Los Angeles sättigen wir unseren letzten Rest ungestillten Hungers für Extravaganz in Venice Beach. Man kann es nennen wie man möchte. Freakshow, Menschenzoo oder irrer Karneval. Es bleibt ein Hexenkessel der Gegenkultur. Begegnungen mit Bodybuildern, Spinnern, Schlangenbeschwörern in knapper Badehose oder einem singenden Sikh mit Turban auf Rollschuhen bilden einen gelungenen Abschluss unserer zweiwöchigen Western Values Rundtour. Auf ein baldiges Wiedersehen in Deutschland im Sommer 2014!

Hollywood Boulevard

Haloween im Death Valley

Sequoia Riesenbäume im Yosemite Nationalpark

Red Canyon

 

Wetter:

24 Grad, Sonne

 

Weitere Erlebnisse